Positionen einer jungen Kunstpädagogik
Robert Hausmann und Matthias Laabs
* Alles kann Gegenstand des Kunstunterrichts sein: Aktuelle kulturelle Phänomene, Medienereignisse, Aktivitäten im Netz, Social Media, Pop, Hypes und Moden, philosophische und soziologische Diskurse, Müll, Leid und Tod, Subversion und Fake, Games und Re-enactments, Exploration, Experiment …
* Die Erzeugung von Anomalien, die Abweichungen von der Regel, das sind jedoch jene Störungen, die besonders Kunst bieten kann.
* Bildung braucht störende Situationen, in denen die eigene Welt- und Selbstsicht neu befragt wird.
* Der Grabenkampf um die Paradigmen „aktuelle Kunst“ und „Bildorientierung“ interessiert uns nicht.
* Die Probleme in unserer Generation sind viel mehr die Diskrepanzen zwischen dem Up-to-Date-Sein und tatsächlichem pädagogischen Handeln, die Flucht in Traditionen, Sicherheiten, in längst ausgediente (kunst-)pädagogische Konzepte und in das Verlangen nach einer Definition von Kunst.
* Wir leben mit Ungewissheiten und lassen Schüler daran teilhaben, „[…] In der Weise, dass sie aushalten können, dass nicht immer alles, aber immer etwas anderes möglich ist.“[1]
* Lernen heißt filtern: Wir sind nicht allwissend, keine Allrounder und Experten, sondern wissen wo, wann und wie wir Informationen beziehen.
* Eindeutige Weltsichten sind out, alles ist auf eine eigene Art „Bild“ geworden.
* Wir brauchen keine Abgrenzungen zwischen analog und digital, virtuell und physisch oder gar real und fiktiv: Alles ist lebendige Wirklichkeit!
* Kunst- und Medienpädagogik sind zweieiige Zwillinge.
* Alle Medien sind Bestandteil des Kunstunterrichts, im Besonderen das Netz als für uns lebenswichtige Komponente.
* Scharfe Trennungen sind Vergangenheit.
* Schule ist oftmals ein Ort der Distanz, ein Elfenbeinturm, der die Welt zu beobachten oder zu simulieren versucht.
* Fahrt eure Firewall herunter, steigt die Treppen herab und werdet Teil dieser unbeobachtbaren Welt.
* Unsere Szenarien spielen nicht mehr in der „modernen Organisation von Zeit und Raum in geschlossenen Settings (Fabrik, Schule, Familie usw.), zwischen denen es feststehende Interaktionsmuster gibt und in denen der Mensch positioniert ist“, sondern „das unternehmerische Selbst […] Bewegt sich in ‚Netzwerken’.“[2]
* Wir recyceln, nutzen das Verbrauchte, um Innovationen zu fördern, anstatt in der Feedback-Schleife gefangen zu sein.
* Wir folgen einem Hype nach dem anderen, ohne immer zu wissen, was wir tun.
* Spaß haben bedeutet kein „Larifari“, sondern mit Lust und Ironie in der Welt zu sein.
* Wir handeln situativ und (un-)geplant.
* Nicht alles muss begründbar sein.
* Nicht alles ist unergründlich offen.
* Didaktische Vorgaben, extern gesetzte Standards und Richtlinien sind für uns lähmende Erscheinungen eines Faches, das vergleichbar wird und sich auf rettende Inseln im Ozean des Nichtwissens zu flüchten versucht.
* Wir aber schwimmen im Pool der Möglichkeiten und sind bereit, sie zu nutzen.
* Zukunft muss Gegenwart werden und Selbstironie zur pädagogischen Wirklichkeit.
[1] Karl-Josef Pazzini: Kunst in der Schule? In: Lemke / Meyer / Münte-Goussar / Pazzini / Landesverband der Kunstschulen Niedersachsen: sense&cyber. Bielefeld 2003, S. 303-309, S. 309.
[2] Jan Masschelein / Maarten Simons: Globale Immunität oder Eine kleine Kartographie des europäischen Bildungsraums. Zürich-Berlin 2005, S. 34.
Literatur
Jan Masschelein / Maarten Simons: Globale Immunität oder Eine kleine Kartographie des europäischen Bildungsraums. Zürich-Berlin 2005.
Karl-Josef Pazzini: Kunst in der Schule? In: Lemke / Meyer / Münte-Goussar / Pazzini / Landesverband der Kunstschulen Niedersachsen: sense&cyber. Bielefeld 2003, S. 303-309.
Die Positionen veröffentlichten wir zuerst im Buch Shift. #Globalisierung #Medienkulturen #Aktuelle Kunst, Schriftenreihe Kunst Pädagogik Partizipation: Buch 01. München 2012 und auch als Give-Away auf dem BuKo12-Abschlusskongress in Dresden 2012.
diese selbstmotivierenden arbeitsthesen tönen so, als wollten sie schule durch subversion verändern. die gefahr ist aber: dass die schule/ behörden das fach kunst vorher abschaffen, weil es ihnen angesichts schwammiger arbeitsgrundlagen zunehmend unsinnig erscheint.
vorsicht!
Selbstironie – der Grenzbereich zwischen Humor und Autoaggression – muss also pädagogische Wirklichkeit werden… Na, denn!