Aufbruch in die Gegenwart, für eine Kunstpädagogik von morgen.
Reflexionsversuche über BuKo12
Text und Bild: Robert Hausmann
Alles wie immer?
Ich erinnere mich: Nach dem letzten Bundeskongress der Kunstpädagogik 2009 waren die spontanen und aufgebrachten Stimmen schnell im Netz vertreten – herrmeyers Blog diente dafür als erstes Auffangbecken. Darunter fanden sich auch polemisch-ironische Kommentare. Eines habe ich dabei, noch heute darüber grinsend, genau im Gedächtnis (#Spiralcurriculum), leider veranlasste der Verfasser dessen Herausnahme. Herr B. witzelte einst mit dieser Anmerkung über die Haltung bestimmter Herren seiner eigenen Generation und lieferte nebenbei Hinweise zu einer Verjüngung zukünftiger Tagungsformate (#kunstpädagogische Kisten). Ich kann nur dazu anregen, sich in diesen Tagen nach BuKo12, sich jene nun zwei Jahre zurückliegenden Kommentare zu Gemüte zu führen. Sie eröffnen mit Witz, Optimismus, durch die Ist-Analyse und Zukunftsspinnereien sowie neu-alten Ideen (#Art Education Slam #Barcamp #Generationengespräch) den Weg für die kommende Zeit, die reif war, für dieses Recycling!
Vor zwei Jahren noch waren folgende Stimmen zu vernehmen: „Der Bundeskongress Kunstpädagogik war, da gibt es keinen Zweifel, nicht dazu gedacht, die Pluralität der kunstpädagogischen Positionen abzubilden.“ (Florian Schaper, in: Kommentare und Kurzbeiträge zum Bundeskongress der Kunstpädagogik, 23. bis 25. Oktober 2009, Kunstakademie Düsseldorf, BDK-Mitteilungen 1/10, S. 13) Oder: „Was bleibt, ist Unzufriedenheit über die im Forum ausschließlich durch männliche Kollegen präsentierten Zukunftsvorstellungen und eine starre, wenig auf Transparenz und lustvolle Streitkultur setzende Tagungsstruktur. Und Scham über das Bild, das wir unseren jungen Kolleg/inn/en geliefert haben. Aber die schwimmen ja gottlob schon in herrmeyers Blog zu anderen Ufern …“ (Marie-Luise Lange ebd. S. 16.)
Die mangelnde Einsicht einiger Herren mitunter auch aktuelle Fragen, Probleme bzw. junge Ansätze aufzugreifen und diskutieren zu dürfen, führte damals wohl dazu. An ihrem Nichterscheinen auf dem Bundeskongress 2012 aber ist herauszulesen, dass sich daran nicht allzu viel geändert haben müsste. Der Newsletter aus München flatterte jedenfalls am Sonntagmorgen, am letzten Tag des Kongresses, regulär wie immer in meinen Postkasten – ohne jegliche Erwähnung der gerade in Dresden tagenden Fachcommunity.
Und jetzt? Nichts wie damals! Nichts wie immer! Danke!
What The Fuck!
Kritik und Verbesserungen fallen schneller aus dem Mund, als Lob. Wohl deshalb finden sich diesmal im Netz so schnell noch keine rückmeldenden Statements ein. Andererseits besteht jetzt zunächst die persönliche Herausforderung darin, das reichhaltige Angebot an Inhalten, Formaten und Debatten der letzten zwei Jahre, die im BuKo12-Abschlusskongress mündeten, zu verarbeiten – im wahrsten Sinne in der Schaffung von Connections. Das gleicht einer Überforderung und braucht noch Zeit. Den God View wird selbst dann niemand für sich beanspruchen können. Das ist auch gut so! Bitte, keine/r glaubt doch an die totale Erleuchtung? Wir müssen es uns gefallen lassen, nun auch einmal perplex dazustehen.
Daumen hoch für das beständige, zweijährige Event und das sich aufspannende, semantische Netz eines breiten Fachdiskurses. Die verschiedenen Parts boten durch ihre dezentrale Streuung tatsächlich vielfache Vorteile: Sie warben an ihren Standorten für ein regionales wie überregionales Publikum, das strukturell gemischt, Generationen bisweilen flüssig erscheinen ließ. Sie trugen durch die räumliche Auswahl von Hochschulstandorten zur Verjüngung der Community bei, davon profitierte auch das Abschlussevent in Dresden: Vor allem Studierende, Referendare/innen, junge Fachwissenschaftler/innen und Lehrer/innen folgten dem Aufruf der Teilhabe. Das spiegelt sich ebenso in der Redner/innen- und Workshopleiter/innen-Liste – mit Hinweis auf die Parts 06 und 07. Daraus entwickelte sich ferner der erste Studierendenkongress der Kunstpädagogik, der als vorgelagerte Tagung dem Abschlussevent in Dresden voranging. Aber auch der abschließende Kongress zeigte die Vorreiterrolle der Jungen in ihren Positionierungen und ihrem Auftreten: Nora Sternfeld, Jan Grünwald, ja, ich zähle auch Lisa Rosa dazu ;), das BuKoCamp oder der Twitter-Kommentar „Schön, wie die Impulse von den Jungen für die Älteren dort vorn auf dem Podium kommen! #buko12“ (haurobert, Tweet zum Streitgespräch zwischen Billmayer und Kettel, nach dem der Moderator Rudolf Preuss aus den „Positionen einer jungen Kunstpädagogik“ von Hausmann/Laabs zitierte).
Was war das denn? (#Staunen)
Pick up!
Ja, auf dem Abschlusskongress wurde auch getwittert – einige fragen sich wahrscheinlich noch immer, wo der tiefere Sinn dahinter steckt. Na ja… Liebe Kritiker/innen, Twitter ist eine, nicht die einzige, Möglichkeit des sich Einmischens. Es besitzt neben vielen anderen den Vorteil, dass selbst wenn gesprochen oder gehandelt wird, bereits Meinungen veröffentlicht und abgespeichert werden können, simultan und zeitnah. Das rein gesprochene Wort hat es da, aufgrund von anerzogenen Höflichkeitsfloskeln, schon schwerer („Ich lasse die/den andere/n ausreden!“).
Den Anfang des BuKo12-Ge(t)witters setzte der Part01 in Frankfurt 2010 zur Frage „Wie viel Kunst braucht die Kunstpädagogik?“, aber darüber wurden bereits wertende Texte verfasst (#Partizipation #Publikum #twitternde Kunstpädagogik). Die Twitter-Community des Abschlusskongresses, klein aber sehr aktiv, dokumentierte die Inhalte in unterschiedlicher Form. Darunter lassen sich viele Wiederholungen der in Tagungsbeiträgen formulierten Äußerungen finden, unkommentiert setzen sie auf die reine Vervielfachung. Gepostet wurden auch kritische Statements, die einen wirkungsvollen Mehrwert besitzen, indem sie auch eigene Haltungen mitteilen. Gerade in diesen Tweets liegt die Belebung, sie erfassen das, was über den bloßen Inhalt hinausgeht. Darin formuliert sich die notwendige Weiterverarbeitung als genutzte Möglichkeit der Teilhabe. Twitter erwirbt damit die Funktion einer Überbrückung, zwischen wahrgenommener Realität und dem Drang zur Meinungsäußerung.
Titanen, Sterne und Planeten
Die Möglichkeiten zur Partizipation waren vielfältig. Es steht immer die Frage im Raum, wie man einem derartig großen Begriff und dessen Wirkungen gerecht werden kann. Die BuKo12-Welt schaffte es aber, irgendwie, diesen Gedanken durch seine Formate und Angebote auch für die Zukunft zu etablieren und zu integrieren. Die Teilhabe wurde zum Atlas (der Typ aus der Mythologie – ein Titan sogar), die wieder und wieder aufpassen musste, dass ihr die Kugel nicht von den Schultern rutscht. Das muss manchmal nicht leicht gewesen sein, in dieser Welt des BuKo12!
Aber (#Anerkennung): Die Fachcommunity wurde dadurch um Lichtjahre vorangebracht. Danke für die letzten 695 Tage auf dem BuKo12-Planeten und für die Kollateralschäden, die er den alten Sternen zugefügt hat. Auf geht’s: „Immer voll drauf zu, auf alles was geht, Zukunft & Co, und bitte ohne Bescheidenheit! Liebe Kunstpädagogik!“ (haurobert, Tweet, bezogen auf die Bescheidenheitsforderung im Grußwort von Martin Klinkner)
Aufpassen sollten wir dennoch, nicht alles genuin ‚kunstpädagogisch’ zu betrachten, um sofort irgendwelche Lösungsansätze für die Schule o.ä. zu bekommen, das endet in der Reduktion. Mehr Blicke von außen müssen her.
Werfen wir die Standardisierungen, die auch unser Fach belasten, endlich über den Haufen. Lernen wir für die Gegenwart, um auch in Zukunft auf eine Art zu bestehen, die wir selbst noch nicht kennen. Denn wir wissen eben nicht immer, was wir tun. Dann würden wir uns an den Rändern unseres Wissens bewegen. Hierin liegt vielmehr die Herausforderung. Und @konsch00 hat recht: Wir brauchen dazu mehr Lisa Rosas!
Alles in allem: BuKo12 bleibt eine Steilvorlage.
Ach… Und drei Wünsche hab’ ich noch frei bzw. die nehm’ ich mir einfach. Für das, was kommt:
1. Es kann noch ‚jünger’ werden. Potenziale!
2. Akunstpädagogische Blicke!
3. Inhalte ausweiten, jetzt nicht anhalten! Zwischen(un-)konferenzen!
Post Scriptum: Natürlich waren die Vertreter/innen einer Verhütungs- (Kunst-) Pädagogik[1], wie ich sie gern nenne, bei derartigen neuen Formaten, bekannteren wie neuen Themen und visionären Fragestellungen des BuKo12-Planeten, nur rar vertreten bzw. manche outeten sich wahrscheinlich einfach nicht. Aber es gibt sie, noch immer.
[1] Bis heute zieht sich eine romantische Vorstellung des Genius im Kinde, mit der damit verbundenen schöpferischen Kraft der eigenen Seele und der dazu ‚tanzenden Natur’ in den Gedankenkonglomeraten mancher Fachkollegen/innen – Studierende inbegriffen – durch. Solch historisch gewachsenes Gedankengut (Hartlaub, Britsch/Kornmann, Musische Erziehung etc.) und dessen Praxis ist, aus heutiger Sicht, pädagogischer Schutt und höchst bedenklich. Ich fasse dies unter den Begriff ‚Verhütung’ und verbinde damit bewahrpädagogische Haltungen. Ja @_gkolb, Wir brauchen mehr Mandys bzw. Mendys mit einem kräftigem Biss in der Kunstpädagogik: „Was, Mandy? Nein! Die tut auch nichts. Das beteuert zumindest ihre Halterin gegenüber anderen Fahrgästen in der Straßenbahn, sobald diese zögern sich in der Nähe der schnaufenden, kläffenden und mit sichtbarem Kampfhund-Image ausgerüsteten Mandy niederzulassen.“ (Konstanze Schütze/Robert Hausmann: Mandy tut nichts? Kommunikationsformen aktueller Kunst. In: Christine Heil / Gila Kolb / Torsten Meyer (Hrsg.): Shift. #Globalisierung #Medienkulturen #Aktuelle Kunst, Schriftenreihe Kunst Pädagogik Partizipation: Buch 01. München 2012, S. 31-37, S. 31.)